Forschung und Projekte
Metalle und andere Materialien verhalten sich nicht immer gleich. Je nachdem, wie man sie verarbeitet, können sich ihre Eigenschaften verändern. Das lässt sich nutzen, um gezielt Werkstoffe mit ganz spezifischen Merkmalen herzustellen, etwa einer guten Biegsamkeit oder besonders großer Härte. Dazu ist es nötig, die Ausgangsmaterialien möglichst gut zu verstehen.

Ich entwerfe dafür die passenden Werkzeuge: Ich entwickle Computersimulationen, mit denen sich das Verhalten von Werkstoffen auf Molekül- und Atomebene analysieren lässt. Mit ihnen kann ich beispielsweise untersuchen, wie sich die Kristallstruktur von Metallen unter hohen Drücken oder bei bestimmten Temperaturen ändert. Durch Variation dieser und anderer Parameter am Rechner lassen sich gezielt bestimmte Merkmale des Werkstoffs optimieren, etwa seine Verschleißeigenschaften. Die Simulation erlaubt es also, schnell und relativ aufwandsarm die Verarbeitungsprozesse an die jeweils gewünschten Eigenschaften anzupassen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Frage dar, inwieweit Phänomene auf Atomebene das makroskopische Verhalten von Materialien beeinflussen.

Derartige Simulationen nehmen bei vielen technischen Fragestellungen inzwischen einen zentralen Stellenwert ein. Mein Forschungsgebiet bietet daher Anknüpfungspunkte an verschiedene Schwerpunktthemen der TU Clausthal, etwa die Oberflächenphysik oder den Maschinenbau.
Sonderforschungsbereich zum Thema „Sauerstofffreie Produktion“
Seit Januar 2020 arbeite ich im Sonderforschungsbereich (SFB) zum Thema „Sauerstofffreie Produktion“ mit, der in den kommenden vier Jahren mit rund 9,5 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SFBs ist es, eine Produktionstechnik unter Sauerstofffreiheit zu entwickeln und zu etablieren, die faszinierende neue Möglichkeiten eröffnet. Damit können neue, energieeffiziente und ressourcenschonende Prozesse und eine insgesamt effizientere Produktion realisiert werden. Mit Hilfe von neuartigen Verfahren soll der Sauerstoff auf bisher nicht erreichte niedrige Werte reduziert werden. Diese Werte sind um Größenordnungen geringer als in technisch erzeugtem Ultrahochvakuum.

Prof. Dr.-Ing. Hans Jürgen Maier, Direktor des Instituts für Werkstoffkunde am Produktionstechnischen Zentrum Hannover und Sprecher des am 1. Januar 2020 offiziell startenden SFB, erklärt die Herausforderung: „Wo immer in der Produktionstechnik zwei Metalle in unmittelbaren Kontakt miteinander kommen, treffen eigentlich nicht die Metallatome aufeinander, sondern die auf den jeweiligen Oberflächen befindlichen Oxidschichten, die durch den Sauerstoff in der Umgebung gebildet werden. Diese Oxidschichten erschweren zum Beispiel das Fügen von Werkstücken, weswegen wir beim Schweißen, Löten und in der additiven Fertigung durch oxidschichtfreie Werkstoffe große Vorteile erwarten. Ebenso könnte der Verschleiß von Werkzeugen beim Spanen und Umformen durch die Abwesenheit von Sauerstoff signifikant reduziert werden.“

In meinem Projekt konzentriere ich mich auf die grundlegenden Fragestellungen der sauerstofffreien Produktion. Hier soll mit Hilfe von Modellierungsmethoden ein grundlegendes Verständnis über die Vorgänge und Mechanismen in sauerstofffreier Umgebung erlangt werden. Diese Prozesse werden auf atomarer Ebene betrachtet, um die physikalischen Eigenschaften der Bindung der Fügepartner in der Kontaktzone am Beispiel des Walzplattierens zu untersuchen. Für weitere Details siehe https://www.sfb1368.uni-hannover.de/de/forschung/projektbereich-c/teilprojekt-c05/.

In der ersten Förderperiode stehen die grundlegenden Fragestellungen in der Wirkzone im Vordergrund. Konkrete produktionstechnische Verfahren des Urformens, Umformens, Fügens, Trennens und Beschichtens sollen dann nach und nach entwickelt werden.
Beitrag
Von Stoßwellen zu unseren Planeten

Mit der Simulation von Stoßwellen in heterogenen Materialien kann verstanden werden, wie winzige Staubkörner zu Planeten heranwachsen konnten. In der Technik können solche Simulationen verwendet werden, um Materialien zu produzieren, die extremen Druck-Bedingungen standhalten.

„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“, so hat es Goethe in Faust formuliert und das ist wohl bis heute die zentrale Frage eines jeden Wissenschaftlers. Um aber zu einer allumfassenden Erkenntnis der Welt zu gelangen, ist es zunächst wichtig zu verstehen, wie die Planeten und damit auch unser heutiges Leben entstanden sind. Doch wie kann man heute herausfinden, was vor Milliarden von Jahren passiert ist? Wie konnten aus einzelnen winzigen Staubpartikeln im Universum kilometerlange Vorläufer der Planeten, die sogenannten Planetesimale, entstehen? Ein möglicher Ansatz ist sicherlich, die Bedingungen, die in der sogenannten protoplanetaren Scheibe – einer riesigen Scheibe aus Gas und Staub, aus der Planetesimale heranwachsen – im Laborexperiment nachzustellen.
Universe
Copyright der Einzelbilder: NASA
Doch auch wenn Experimente neue Einblicke in die Prozesse der Planetenentstehung gewähren können, ist die Herstellung idealer Bedingungen wie zum Beispiel Schwerelosigkeit, Vakuum und geringe Gravitation schwierig und kostenintensiv, sodass nicht alle Fragestellungen beantwortet werden. Deshalb haben sich Computersimulationen als nützliches Werkzeug etabliert.
Die Kollision von Staubaggregaten und deren Agglomeration ist ein grundlegender Prozess für die Entstehung von Planeten, der mit Hilfe von Simulationen modelliert werden kann. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, was passiert, wenn durch diese Kollisionen Stoß- oder Verdichtungswellen durch das poröse Material laufen. Begünstigen diese die Planetenentstehung oder behindern sie etwa das Wachstum neuer Himmelskörper? Was passiert, wenn ein Meteorit auf einen Planeten einschlägt?
Das Ziel meiner Arbeit war deshalb, Stoßwellen in heterogenen, also ungleichmäßig zusammengesetzten, Materialien mittels Simulationen zu untersuchen. Dabei sind Stoßwellen in vielen Arbeitsbereichen allgegenwärtig und können nicht nur kosmische Prozesse erklären, sondern werden auch in den Ingenieurwissenschaften umfangreich untersucht, um beispielsweise neue Materialien mit verbesserten Eigenschaften unter Belastung zu finden.

Um das Wachstum von Staubkörnern zu größeren Strukturen und schließlich zu unseren Planeten zu verstehen, ist es wichtig, die sogenannte Kompaktifizierung oder Verdichtung einer Anhäufung von Staubkörnern zu analysieren: Dieser Faktor bestimmt die mechanischen Eigenschaften der Staubaggregate und damit die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Ansammlung von Staubkörnern, der Agglomeration. Diesen Prozess konnte ich mittels Simulationen nachahmen. Als Simulationstool habe ich einen bestehenden Algorithmus verwendet und implementiert. Der Algorithmus beschreibt die Kräfte zwischen Staubkörnern einiger Mikrometer Durchmesser. Mit Hilfe dieses Algorithmus konnte ich den Aufprall eines porösen Aggregats, das aus mikrometergroßen Quarzkörnern besteht, auf eine harte Wand simulieren. Meine Ergebnisse zeigen, dass eine Kompaktifizierungswelle durch das Material läuft und sich infolgedessen ein inhomogenes Dichteprofil ausbaut. Der Grad der Verdichtung sinkt mit größerem Abstand vom Aufprallpunkt und nimmt mit steigender Geschwindigkeit zu. Dies legt nahe, dass auch bei der Entstehung von Planeten und Monden heterogene Staubaggregate beteiligt waren. Dies steht im Widerspruch zu vereinfachenden Modellen der Planetenentstehung, wonach die protoplanetare Scheibe als gleichförmig und homogen angesehen wird.
In einer weiterführenden Studie konnte ich ermitteln, bei welchen Geschwindigkeiten und Anfangsdichten der Zusammenstoß zweier Staubaggregate zu weiterer Verdichtung führt und unter welchen Bedingungen diese gar zerstört werden. Bei dem als Fragmentierung bezeichneten Prozess werden die Agglomerate in einzelne Staubkörner aufgesplittert. Die Simulationen verdeutlichen, dass für sehr poröse Agglomerate und hohe Geschwindigkeiten die Wahrscheinlichkeit für Fragmentierung steigt. Diese Studie hat zusätzlich die Frage aufgeworfen, ob mit einer geeigneten Staubschicht bedeckte Bestandteile von Meteoriten (Chondrulen) eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, „zusammenzukleben“. Hier konnte ich erst kürzlich in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Kaiserslautern und Heidelberg herausfinden, dass die Geschwindigkeit, ab der die Chondrulen voneinander abprallen, um zwei Größenordnungen steigt, wenn eine Staubschicht an ihnen haftet. So kann erklärt werden, wie diese Objekte auch bei Kollisionen mit höheren relativen Geschwindigkeiten zu Asteroiden wachsen konnten, denn Chondrulen waren im Sonnennebel in der Regel von Staub umgeben.

Die Planetenbildung hängt aber nicht nur von den Geschwindigkeiten und Dichten der Agglomerate ab, sondern wird wesentlich vom Metallgehalt in der protoplanetaren Scheibe bestimmt. So wurde kürzlich herausgefunden, dass metallreiche protoplanetare Scheiben eine höhere Lebensdauer haben, weshalb dort mehr Planeten entstehen können. In unserem Sonnensystem ist Eisen eines der wichtigsten Metalle. Der Planet Merkur besitzt einen gigantischen Eisenkern, der fast seinen kompletten Radius einnimmt und auch unser Erdkern besteht zu etwa 80 % aus Eisen. Zudem ist Eisen als Basis aller Stähle eines der technologisch relevantesten Metalle. Die Untersuchung von Eisen unter hohen Drücken ist deshalb auch für die Technik von Bedeutung.

Eisen ist ein Metall mit vielen Besonderheiten. So weist es bei hohen Drücken einen Phasenübergang zu einer anderen Kristallstruktur auf, von der bcc- (kubisch basiszentriertes Gitter) zur hcp-Phase (hexagonal dichtest gepacktes Gitter). Bei einem bcc-Gitter kann man die periodische Struktur beispielsweise in kubische Elementarzellen aufteilen, bei denen sich die Atome auf den Ecken sowie in der Mitte eines Würfels befinden. Bei der hexagonal dichtest gepackten Struktur ist die Grundfläche ein Sechseck. Der Zusatz „dichtest gepackt“ bedeutet, dass die Lücken zwischen den Atomen kleinstmöglich sind. Das fcc-Gitter (kubisch flächenzentriertes Gitter) ist ebenfalls dichtest gepackt und die Atome befinden sich auf den Ecken sowie in der Mitte der Seitenflächen der würfelförmigen Elementarzelle.
Hohe Drücke können experimentell zum Beispiel hergestellt werden, indem mit Hilfe eines Lasers die Oberfläche des Metalls verdampft wird und der resultierende Verdampfungsdruck als Stoßwelle durch die Probe läuft. Der Phasenübergang in Eisen wurde zwar im Experiment beobachtet, konnte aber noch nicht korrekt mit Simulationen nachgestellt werden. Da der Phasenübergang experimentell jedoch sehr schnell abläuft, werden Simulationen benötigt, um den Zusammenhang zwischen Phasentransformation und physikalischen Eigenschaften zu analysieren.
In den bisherigen Simulationen wurde ein hoher Anteil an fcc-Strukturen gefunden, was im Gegensatz zur experimentellen Erwartung steht. Außerdem konnte bisher in Simulationen keine plastische, das heißt dauerhafte Verformung des Materials gefunden werden, was im starken Kontrast zum Experiment steht, bei dem Eisen vor der Phasenumwandlung Plastizität zeigt.

In meinen Simulationen konnte ich den Einfluss der Phasenumwandlung von bcc nach hcp und umgekehrt bei Stoßkompression von Eisen und die damit verbundenen Änderungen der Eigenschaften untersuchen. Die Wechselwirkung zwischen den Eisen-Atomen wurde dabei so angepasst, dass der Phasenübergang ermöglicht wird. In Übereinstimmung mit Experimenten konnte ich erstmals die sogenannte 3-Wellen-Struktur aus elastischer (reversibler) Kompression, plastischer Verformung und der Phasentransformation nachweisen. Diese hat einen entscheidenden Einfluss auf die Materialeigenschaften und ist damit wichtig, um abzuschätzen, wie sich Eisen bei hohen Druckbedingungen, wie sie sowohl auf der Erde als auch im Weltall auftreten, verhält. Die Herstellung extremer Bedingungen mit Computersimulationen ist dabei viel kostensparender als es im Labor je möglich wäre. Damit wurden neue Zugangswege erschlossen, um die Materialeigenschaften von Eisen unter extremen Bedingungen zu studieren.
Universe
Momentaufnahmen der Mikrostruktur von Eisen unter hohen Drücken. Gezeigt sind Atome, die zu Korngrenzen und Defekten gehören. Die Farbe kodiert den Abstand vom Betrachter.
In diesem Zusammenhang konnte ich in Übereinstimmung mit Experimenten zeigen, dass die Phasentransformation die Wahrscheinlichkeit für Rissbildung und Bruch des Materials verringert und zu glatteren Bruchoberflächen führt. In der Technik werden glatte Brüche bevorzugt, da diese leichter vorhersagbar sind. Durch Kontrolle der Laserintensität kann im Experiment die Wahrscheinlichkeit der Phasenumwandlung justiert werden und damit könnte mit Hilfe der Simulationsergebnisse das Bruchverhalten vorhergesagt werden.

Meine Arbeit zeigt damit auf, wie wichtig es ist, Stoßwellen in heterogenen Strukturen zu verstehen, da sie nicht nur zu neuen Materialien für Technik und Industrie verhelfen, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Entstehung unseres Planetensystems leisten können. Die Ergebnisse liefern Parameter für astrophysikalische Studien, womit die Bedingungen für das Wachstum von Planetesimalen und damit Planeten weiter erforscht werden können.
Seitenanfang